Mindfulness und Mediation: Notizen von einer Zugfahrt

Ich fahre heute Abend mit dem Zug nach Hanau, um an der zweijährlichen Konferenz des Bundesverbands Mediation (BM) teilzunehmen, Europas größtem Verband von MediatorInnen und KonfliktexpertInnen. Ich freue mich, weil der BM in diesem Jahr Mindfulness (Achtsamkeit) als Thema für seine Konferenz gewählt hat. Für mich ist die Relevanz von Achtsamkeit für meine Arbeit als Mediator schon lange interessant und eigentlich fast selbstverständlich (ich meditiere schon viele Jahre, und Achtsamkeit ist für mich ein wichtiges Element der Selbstregulierung und um eine empathische all-parteiliche Haltung in der Mediation und Konfliktbearbeitung zu bewahren). Und es ist wunderbar zu sehen, dass diese Idee auch im Mainstream des Mediationsberufs Ausdruck findet.

Dass Konfliktlösung im Rahmen kontemplativer oder Achtsamkeitspraxis stattfinden kann, habe ich während meines zweijährigen Aufenthalts in Thich Nhat Hanhs Kloster Plum Village aus erster Hand erfahren. Das buddhistische Klosterleben ist natürlich nicht frei von Konflikten, und das Team der „Resident-Farmers“, das ich mit leitete und dessen Aufgabe es war, eine kleine Bio-Farm für die Klostergemeinschaft aufzubauen und zu betreiben, hatte ebenfalls seine diversen Meinungsverschiedenheiten.

Ich erinnere mich noch an die zwei oder drei Male, als wir uns an die Mönche wandten, um Hilfe bei der Lösung eines besonders schwierigen Konflikts zu erbitten. Wir saßen im Kreis auf unseren Kissen in einem kleinen Zendo (Meditationshalle): die monastischen „Mediatoren“ und die Mitglieder des Farmteams. Mit all unserem Achtsamkeitstraining und der geschickten Unterstützung unserer „Mediatoren“ gelang es uns, unseren Streit beizulegen, hauptsächlich indem wir aufmerksam zuhörten, aus dem Herzen sprachen, die Perspektive des anderen einnahmen und sogar „einander die Blumen gossen“ – um einen Ausdruck zu benutzen, der in Plum Village für das Teilen von Wertschätzung einer anderen Person gegenüber benutzt wird. All dies geschah unter der Leitung der Mönche, die uns halfen, indem sie den Raum und die Energie der Achtsamkeit für uns hielten, unseren Dialog gelegentlich mit dem Klang einer Glocke verlangsamten und uns an buddhistische Prinzipien wie Großzügigkeit und Nicht-Anhaftung an Ansichten erinnerten. Aber genau wie bei „normalen“ Mediationen waren die Mönche nicht immer erfolgreich darin, uns zu einem gemeinsamen Weg nach vorne zu verhelfen – wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hat sich eine Person, z.B. nach einer solchen Session dazu entschieden, dass ihre Bedürfnisse besser erfüllt sind, indem sie das Farmteam verlässt. Aber die Mönche spielten eine wichtige Rolle dabei, dass wir unsere Probleme respektvoll und friedlich besprechen konnten und zu Klarheit finden konnten.

Als ehemaliges Laienmitglied eines buddhistischen Klosters frage ich mich jetzt, was die OrganisatorInnen und Teilnehmenden dieser Mediationskonferenz mit dem Begriff „Mindfulness“ verbinden – einem Wort, das ziemlich inflationär verwendet wird. Ich bin neugierig zu erfahren, wie die Achtsamkeitspraxis ihren Weg in die alltägliche Arbeit von KonfliktexpertInnen findet, Menschen, die, so stelle ich es mir jedenfalls vor, eher geringes Interesse am Buddhismus haben bzw. an den Praktiken, mit denen wir damals in Plum Village Konflikte gelöst haben. Meine Neugier ist umso größer, als es bekanntermaßen schwierig ist, sich auf eine Definitionen von Achtsamkeit zu einigen. Diese reichen von Meditation bis hin zu Aufmerksamkeit, Konzentration, Bewusstsein, Achtsamkeit, Empathie, Mitgefühl, Selbstfürsorge und vielem mehr..

Ich sollte an dieser Stelle anmerken, dass einige KollegInnen und ich vor nicht allzu langer Zeit eine neue Fachgruppe innerhalb des BMs mit dem Titel „Mindfulness und Mediation“ gegründet haben. Die Gruppe besteht seit etwa einem Jahr und wird erste Ergebnisse ihrer Arbeit in einem Workshop auf der Konferenz dieses Wochenende präsentieren. Darüber hinaus haben wir Gelegenheit, bei der Eröffnung der Konferenz mitzuwirken, eine kurze Einführung zu der Fachgruppe zu geben und eine Achtsamkeitsübung anzuleiten. Für diese Gelegenheit sind wir dem BM dankbar.

Also, mit noch etwa zwei Stunden bis zum Ziel, bleibe ich gespannt und neugierig auf die Kreise, die Achtsamkeit in der Welt der Mediation und des Konfliktmanagements zieht. Ich werde hoffentlich in einem späteren Beitrag Zeit finden, ein paar Beobachtungen von der Konferenz zu teilen. Dann gibt es sicher auch Einzelheiten über ein bevorstehendes zweitägiges Seminar zu Achtsamkeit und Konfliktbearbeitung, das ich zusammen mit meiner geschätzten Kollegin Madleen Bernhardt im Februar 2025 zum ersten Mal anbieten werden.